Geschichte und Genres der Computerspiele – Teil 2
Der zweite Teil des Vortrags zu Geschichte und Genres der Computerspiele, den der Games-Journalist Fabian Mauruschat am 28. Oktober 2015 bei der Auftakt-Veranstaltung von Spiel vs. Leben? – Wie Computerspiele Lebenswelten verändern gehalten hat. Zum Download der Folien geht es hier. Den ersten Teil zur Geschichte der Games finden sie hier.
Typologie der Games
Videospiele definieren sich über die Art der Interaktion und die Spielmechanismen. Es geht weniger um Inhalte, sondern eher darum, wie ein Spiel gespielt wird. Dabei sind Genres nicht immer klar voneinander abzugrenzen. Es gibt immer mehr Mechanismen, die früher charakteristisch für ein Genre waren, aber heute in den meisten Spielen zu finden sind. So gibt es mittlerweile in fast allen Spielen Rollenspielelemente wie Charakterlevel oder Erfahrungspunkte. Moderne Spiele integrieren oft Minigames, die streng genommen anderen Genres zuzuordnen sind. Spiele überschreiten Genregrenzen oder schaffen neue Genres durch das Mischen von zwei oder mehr Genres.
Aber um Games grob zu charakterisieren ist das Konstrukt „Genre“ natürlich sehr nützlich. Dazu kommt die Einordnung in bereits bekannte Genres, die für Literatur und Film Verwendung finden. So unterscheiden sich ein Science Fiction-Shooter und ein Science Fiction-Strategiespiel sehr grundlegend, auch wenn ihre Handlung vielleicht in dem selben Spiele-Universum stattfindet.
Action
Action ist eine große und vielleicht sogar irreführende Genrebezeichnung – Action gibt es schließlich in fast jedem Computerspiel. Aber Action als übergeordnetes Genre umfasst viele Spiele von Beat ’em ups bis zu Shootern, bei denen Reaktionszeiten und Hand-Auge-Koordination eine wichtige Rolle spielen.
Beat ’em up
Street Fighter (seit 1987), Tekken (seit 1988), Mortal Kombat (seit 1992)
Beim Beat ’em up geht es um den Nahkampf Mann gegen Mann. Beide Spielfiguren haben eine Energieleiste, die durch gegnerische Treffer verringert wird. Sinkt die Energie auf Null, ist der Kämpfer ausgeschaltet. Oft sind fantastische Elementen eingewoben, meist werden Anleihen an reale Kampfstile wie Kung Fu oder Boxen gemacht. Das Genre war in den Achtziger Jahren weit sehr beliebt in Spielhallen.
Ego-Shooter
Counter-Strike als Modifikation des Shooters Half Life, Wolfenstein (1992) und Wolfenstein: The New Order (2014), Halo-Reihe (seit 2001)
Ego-Shooter werden in der Egoperspektive gespielt, auf dem Bildschirm ist das zu sehen, was die eigene Spielfigur sieht. Weiterhin gibt es eine frei begehbare 3D-Spielwelt, meistens ist das Gameplay mit Schusswaffengebrauch verbunden. Daraus folgt oft ein futuristisches oder militärisches Setting. Im englischsprachigen Bereich heißt das Genre first-person shooter. Auch hier gibt es Untergenres wie zum Beispiel den Taktik-Shooter, wenn besonderes Gewicht auf der Zusammenarbeit eines Teams von Spielern besteht.
Jump ’n’ Run
Super Mario Bros. (1985), Trine (2009) Super Mario Maker (2015)
Das Genre Jump ’n’ Run definiert sich durch laufende und springende Fortbewegung der Spielfigur, die meistens in einer 2D-Umgebung stattfindet. Gefragt sind Geschicklichkeit und Timing. Das Genre ist eines der ältesten und bekanntesten und auch heute noch lebendig. Im englischen Sprachraum sind die Bezeichnungen platformer oder platform game geläufiger.
Abenteuerspiele
Hier übernimmt der Spieler ebenfalls die Rolle einer Figur in einer interaktiven Geschichte, der Fokus liegt nicht zwangsläufig auf Action und Kämpfen sondern meistens eher auf dem Erkunden der Welt und dem Lösen von Rätseln.
Action-Adventure
Tomb Raider (seit 1996), God of War (seit 2005), Batman: Arkham Asylum (2009)
Innerhalb einer Geschichte werden Rätsel gelöst und Gegner bekämpft. Die Grenzen zu anderen Spielen aus dem Action-Genre sind fließend, hier können auch zahlreiche Sub-Genres festgemacht werden, vom Stealth Game (die Spielfigur muss möglichst heimlich und unentdeckt vorgehen) bis zum Survival Horror (viele Schockeffekte und unheimliche Begegnungen, wird manchmal auch als eigenes Subgenre von Abenteuerspielen gesehen).
Adventure
Maniac Mansion (1987), Sam & Max Hit the Road (1993), Deponia (2012)
Der Begriff Adventure steht im deutschsprachigen Raum für Point-and-Click-Adventures. Hier bewegt sich die Spielfigur meistens in einer 2D-Umgebung. Spielende können den Mauszeiger auf einzelne Objekte richten (point) und sie anklicken (click). Typisch ist auch das Ansammeln von Gegenständen, die in einer Inventarliste vermerkt werden und die miteinander kombiniert werden müssen, um Rätsel zu lösen. Rein textbasierte Adventure-Spiele (kurz Text-Adventures) gibt es schon seit den Siebzigern (Adventure, 1976).
Rollenspiel
Rogue (1980), World Of Warcraft (2004), Blackguards (2014)
Ein einzelner oder mehrere Spielcharaktere bewegen sich durch eine komplexe Welt, mit der sie meistens in Kämpfen, oft auch in sozialen Situationen interagieren. Der oder die Charaktere verbessern im Lauf des Spiel ihre Fähigkeiten ständig (das Upleveln). Mit der zunehmenden Stärke der Spielfiguren kommen immer stärkere Gegner im Spiel vor. Viele Spiele aus diesem Genre sind Umsetzungen von Pen-and-Paper-Rollenspielen, die am Spieltisch stattfinden. In Online-Rollenspielen (Massively multiplayer online role-playing game, kurz MMORPG) bewegen sich alle Spieler durch die selbe Welt. Action-Rollenspiele wie „Diablo“ (1996) spielen sich in Echtzeit ab und erfordern schnelle Reaktionen.
Strategiespiel
Bei Strategiespielen ist das planvolle Vorgehen wichtig. Der Aufbau eigener Basen oder Städte kann ebenso eine Rolle spielen wie die Handhabung von Ressourcen, der Aufbau eigener Einheiten und der Handel von Waren. Gegner sind entweder andere Spieler oder künstliche Intelligenzen.
Echtzeit-Strategiespiel
Die Siedler (1993), Command & Conquer (1995), Plants vs. Zombies (2009)
Bei Echtzeit-Strategiespielen (real time strategy oder kurz RTS) handeln Computergegner und Spieler gleichzeitig. Zur Spielweise gehören schnelles Reagieren und strategisches Planen unter Zeitdruck. Ein Subgenre ist Tower Defense, bei dem die eigene Basis mit meistens immobilen Einheiten gegen mobile Gegner verteidigt werden muss.
Rundenbasiertes Strategiespiel
Empire (1977), Civilization, Sid Meier’s Worms (1995), XCOM: Enemy Unknown (2012)
In rundenbasierten Strategiespielen (turn based strategy games oder TBS) handeln Computergegner und Spieler abwechselnd. Hier steht das strategische Planen im Vordergrund.
Simulation
Das Genre Simulationsspiel umfasst eine weite Bandbreite von Spielen, die einen Aspekt der Realität (durchaus auch einer fiktionalen Realität) möglichst genau abbilden sollen.
Wirtschaftssimulation
Hanse (1986), Anno 1602 (1998), Sim City Buildit (2014)
In Wirtschaftssimulationen muss eine Organisation wie beispielsweise eine Firma, eine Stadt oder ein Fußballvereins möglichst erfolgreich gemanagt werden. In der Regel tritt dabei der Spieler nicht als eigener Avatar in Erscheinung. Oft überschneidet sich das Genre mit dem Genre Strategie, etwa wenn es auch zu Kampfhandlungen mit anderen Städten kommen kann.
Rennspiel
Speed Race (1974), Virtua Racing (1992), Blur (2010)
Rennspiele simulieren Autorennen, manchmal auch Rennen mit anderen Fahrzeugen. Das Spielziel ist es, alle anderen Vehikel zu überholen. Oft kann dabei das eigene Auto optisch modifiziert und technisch aufgerüstet werden.
Sportspiel
Pong (1972), Tiger Woods 99 (1998), Pro Evolution Soccer (2001)
Gerade bei Fußballsimulationen spielt man zum einen das Spiel, zum anderen stellt man aber auch die Mannschaft zusammen. Mittlerweile leihen Sportstars ihren digitalen Avataren nicht nur den Namen, sondern auch das Gesicht. Hier gibt es Überschneidungen mit Fußballmanagersimulationen.
Sonstige
Das ist natürlich kein richtiges Genre sondern in diesem Fall eine Behelfskategorie für die restlichen Genres.
Puzzle
Bei Puzzlespielen wie „Tetris“ oder „Candy Crush“ müssen abstrakte Formen in unterschiedlichen Farben miteinander kombiniert werden.
Weitere Spiele, die nicht so einfach den großen Kategorien Action, Abenteuerspiel, Strategiespiel oder Simulation zugeordnet werden können sind digitale Glücksspiele, Quizspiele und Partyspiele.
Das Genre Musikspiel umfasst Games wie „SingStar“, bei denen Popsongs mitgesungen werden und die Mitspielenden anhand der getroffenen Töne bewertet werden und Tanzspiele, bei denen die richtigen Tanzschritte auf einer Sensormatte ausgeführt werden müssen. Glücksspiel am Automaten sind mittlerweile größtenteils digital und müssen damit auch als Videospiele kategorisiert werden. Quizspiele auf dem Handy oder Konsole zeigen wie breit gefächert diese Kategorie ist.
Multi-Genre
Grand Theft Auto III (2001), Black & White (2001), Minecraft (2011)
Immer mehr Spiele lassen sich nicht einfach einem Genre zuordnen. Bei Spielen der „Grand Theft Auto“-Reihe schlüpft man in die Rolle von Gangstern. Sie vereint Genres wie Action-Adventure, Rollenspiel, Fahr- und Flugsimulation sowie Ego-Shooter. Auch die Genre-Zuschreibung Open World-Spiel wird hier oft angewandt.
Open World-Spiele zeichnen sich durch räumliche Freiheit (die Spielfigur kann sich in der Spielwelt relativ frei bewegen) und eine offenen Erzählstruktur aus. Einen Open World-Ansatz verfolgt „Second Life“ (2003) als Simulation einer Welt ohne Spielaspekt.
Auch „Minecraft“ vereint Genres wie Open World, Rollenspiel, Bausimulation und Sandbox: Ähnlich wie bei Open World-Spielen ist die Spielwelt frei zu erkunden, ein Spielziel ist aber nicht vorgegeben. Wie im Sandkasten (daher die Bezeichnung) können Spielende ihre Kreativität frei entfalten. Durch das Zusammenfließen der Genres werden im Grunde Simulationen von Welten entworfen, die umfassender sind als jedes Spiel vorher.
Serious Games und Lernspiele
Serious Games werden vor allem in der Berufsausbildung angewandt, von Flugsimulatoren bis zu medizinischen Simulationen. Lernspiele oder didaktische Spiele finden im pädagogischen Bereich Anwendung. Kinder und Jugendliche sollen Schulwissen vermittelt
bekommen.
Ausblick
Trends wie Gamification und Augmented Reality (AR) werden wahrscheinlich in den nächsten Jahren einen großen Einfluss auf Games und unser Leben haben.
Gamification ist die Methode der Motivationssteigerung durch spielerische Elemente. Spieledesign und Spielemechaniken werden auf spielfremde Anwendungen und Prozesse übertragen, um Probleme zu lösen und Teilnehmer zu engagieren.
Virtual Reality als eine echt erscheinende 3D-Umgebung aus dem Computer ist seit den Neunzigern im Gespräch, bisher scheiterten serientaugliche Umsetzungen an den technischen Möglichkeiten. Für 2016 sind allerdings mit Oculus Rift und Playstation VR zwei solcher Head-Mounted Displays (oder Videobrillen) angekündigt.
Bei der Augmented Reality überlagern Spielelemente die Wirklichkeit. Ermöglicht wird sie durch Geräte wie Datenbrillen oder Smartphones.
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